46P/Wirtanen - Die Haartracht des Kometen

Der Komet 46P/Wirtanen war im Dezember 2018 unser favorisiertes Beobachtungsobjekt. Im Blogartikel vom 31. Dezember berichtete ich von unserer gelungenen Entfernungsbestimmung durch die Zusammenarbeit mit einem indischen und einem deutschen Amateurastronomen. In diesem Artikel nun soll es um unseren genauen Blick auf "des Pudels Kern" gehen, sprich um die Suche nach Strukturen in der inneren Gashülle des Kometen, der sog. "Koma". Der Name Koma stammt aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie "Haar". Damit war also unsere Forschungsfrage gefunden: "Hat Wirtanen die Haare schön?"

Gelangt ein Komet in Sonnennähe, so beginnen leicht flüchtige Substanzen durch die gestiegene Lichteinwirkung zu sublimieren. Diese Moleküle bilden nach und nach eine große Gashülle um den Kometenkern und machen den Kometen am Himmel zu einem mal mehr, mal minder auffälligen Objekt. Die Ausgasung geschieht keinesfalls in gleichem Maße über die ganze Oberfläche des Kometenkerns verteilt, sondern hat ihren Ursprung in der Regel in mehreren eng umgrenzten Gebieten. Dies sieht man im nachfolgenden Bild der Kometensonde "Rosetta" der ESA.

Bild 1: Der Kern des Kometen "Tschurjumov Gerassimenko", aufgenommen von der Raumsonde "Rosetta".
(acknowledgement to European Space Agency, see license here, image is croped.)

Da der Kometenkern in der Regel nur wenige Kilometer groß ist, ist die Suche nach solchen Jets in der alles überstrahlenden Koma eine Herausforderung, doch da 46P/Wirtanen der Erde im Dezember 2018 ausgesprochen nahe kommen würde, wollten wir den Versuch wagen!

Bild 2: Beobachterteam am 14. Dezember 2018. Von rechts: Leon, Martin, Johannes, Valentina und meine Wenigkeit.

An zwei Abenden, dem 14. und dem 26. Dezember 2018, richteten wir unser Schulteleskop auf den Kometen. Wir wussten, dass unser Unterfangen nur Erfolg haben kann, wenn wir die Montierung, welche unsere Optik trägt, dazu bringen würden, der Bewegung des Kometen vor dem Sternenhintergrund präzise zu folgen. Zu diesem Zweck luden wir die aktuellen Bahndaten von Wirtanen aus dem Internet herunter und übertrugen sie via LAN-Verbindung an die Montierung, einer GM2000QCI von 10micron. Und tatsächlich folgte die Montierung nun der schnellen Bewegung des Kometen am Himmel eifrig und hielt ihn, zumindest abschnittsweise, solide in der Bildmitte. Nur auf diese Weise konnten die vielen einminütigen Einzelbelichtungen realisiert werden, ohne die angepeilten, inneren Bereiche der Koma verwischen zu lassen.

Da wir den Anspruch hatten, auch wissenschaftlich verwertbare Informationen zu sammeln, belichteten wir den Kometen durch zwei spezielle Filter. Für einen Teil der Aufnahmen verwendeten wir einen Johnson/Bessel-V-Filter von Baader Planetarium, welcher einen breiten Bereich aus dem sichtbaren Lichtspektrum passieren lässt und welcher für Astronomen einen weltweit einheitlichen Standard darstellt. In diesem Licht würden wir hauptsächlich das von Staubkörnern reflektierte Sonnenlicht sehen.

Bild 3: Koma des Kometen 46P/Wirtanen am 26.12.2018, aufgenommen durch einen V-Filter.
Die gesamte Belichtungszeit beträgt 35 Minuten. Die Sterne des Hintergrundes wurden durch die Bearbeitung eliminiert. Strukturen in der Koma bleiben in diesem einfachen Summenbild noch unsichtbar.

Als Ergänzung zum V-Filter benutzten wir einen Filter des amerikanischen Unternehmens Semrock, welcher nur im ultravioletten Licht bei einer Wellenlänge von 387nm durchlässig ist. Hier sollte sich das Leuchten des Moleküls Cyan (CN) verraten, welches Kometen ebenfalls ausgasen. Der Versuch dieses kometare Cyangas nachzuweisen war ziemlich abenteuerlich, da wir wussten, dass davon nur wenig Licht ausgehen würde und die Empfindlichkeit unserer Kamera, einer ST-8XME von SBIG, im Ultravioletten schnell einbricht.

Bild 4: Der CN-Filter wurde mit drei Silikonpunkten in unser Filterrad eingeklebt. Da der Filter ursprünglich nicht
für eine astronomische Verwendung gebaut wurde, fehlte ihm das passende Filtergewinde.


Nun aber zu unseren Ergebnissen! Die V-Bilder wurden mit dem mathematischen Bildbearbeitungsfilter "Larson-Sekanina" malträtiert, um radiale Strukturen zu finden und zu betonen. Auch die Darstellung mit Falschfarben dient dem Zweck der besseren Darstellung. Die CN-Bilder zeigten wie erwartet wenig Signal, ein größeres Teleskop würde hier Wunder wirken... Hier erwies sich die Subtraktion einer mathematisch modellierten Median-Koma von der gemessenen Helligkeitsverteilung als die zielführendere Vorgehensweise. All diese Prozessschritte wurden mit der Demo-Version von Astroart durchgeführt.

Bild 5: Summenbilder vom 14. Dezember. Links die Summe von 15 Bildern à 1 min
durch den V-Filter, rechts die von 38 Bildern durch den CN-Filter.

Bild 6: Summenbilder vom 26. Dezember. Links die Summe von 35 Bildern à 1 min
durch den V-Filter, rechts die von 40 Bildern durch den CN-Filter.

In beiden V-Bildern fallen deutlich zwei Emissionsquellen auf. Hier speit der Komet Staub ins Weltall. Die Orientierung dieser Jets unterscheidet sich in beiden Bildern, da sich die relative Position von Sonne, Beobachter und Komet in den 12 Tagen zwischen beiden Aufnahmen verändert hatte. Das CN-Signal ist schwach, doch nachweisbar. Mit etwas Phantasie lässt sich im CN-Bild vom 14. Dezember sogar eine leichte Krümmung des CN-Emissionsjets erahnen, was - sofern real - auf die Rotation des Kometenkerns weisen könnte.

Wir haben die von uns aufgenommenen Bilder mit der 4*P Coma Morphology Kampagne des Planetary Science Instituts geteilt. Dort werden Beobachtungen der inneren Koma des Kometen von Beobachtern rund um den Globus gesammelt und zentral ausgewertet. Mit solch einem großen Datenschatz lässt sich viel mehr über die physikalischen Parameter und die Entwicklung von 46P/Wirtanen aussagen, als mit unseren läppischen vier Bildern alleine.

Vier Bilder... Klingt nach einer mageren Ausbeute, doch bedenkt man, wieviele Einzelschritte, wieviel technisches Know-How und welcher Zeitaufwand in diesen vier Bildern stecken, haben wir allen Grund und jedes Recht, uns mit betont lässiger Geste durchs Haar zu fahren.  😜

Christof Wiedemair



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