Ein alter Bekannter...

Der Stern VV Cephei war im vergangenen Schuljahr eines unserer favorisierten Beobachtungsziele! Mehr als 12 Mal richteten wir unser Schulteleskop auf das unscheinbare 5-mag-Pünktchen im Sternbild Kepheus und registrierten unseren groben Schätzung nach insgesamt 7 Milliarden Photonen von dem etwa 5000 Lichtjahre entfernten Stern. Trotz dieser großen Anzahl beträgt die gesamte aufgesammelte Lichtenergie damit nur wenige Nanojoule! Die weitgereisten Photonen wurden in dem Projekt, welches Patrick Franzinelli bei seiner Abschlussprüfung mit Erfolg vorstellte, nicht etwa nur gezählt, wie das bei der Photometrie passiert! Nein, sie wurden von unserem Spektrographen fein säuberlich nach ihren Regenbogenfarben getrennt und offenbarten uns so weit mehr an Information.

Auch heuer ließen wir es uns nicht nehmen, einen Abstecher bei unserem alten Bekannten VV Cephei zu machen! Am 22. Oktober 2018 brachen Lisa Niederbrunner und Pauline Hofer gemeinsam mit mir zum Schulobservatorium auf. Mit an Bord war neben der letztjährigen Spektroskopieausrüstung auch unsere neue Kalibrationslampe der französischen Firma Shelyak. Vom Einsatz dieses Goldstücks versprachen wir uns viel! Einerseits sollte uns das kleine Neon-Argon-Wasserstoff-Lämpchen im Inneren einen Wust an Emissionslinien liefern, mit deren Hilfe wir die Wellenlängeneichung des Sternenspektrums weit besser hinkriegen sollten, als im vergangenen Jahr. Außerdem hofften wir, dass die mühselige Prozedur des Scharfstellen des Spektrums etwas flüssiger ablaufen würde. Beides bewahrheitete sich zu unserer großen Freude!

Bild 1: Mondaufgang über der offenen Rolldachhütte. Eine ansehnliche Zahl an Fliegen gedenkt
offenbar heuer unser Observatorium als Winterquartier zweckzuentfremden.


Bild 2: Unser Spektroskopie-Setup. Alles betriebsbereit zu kriegen, dauert eine gute Stunde!

Bild 3: Die Freude, die solch ein Emissionslinienwald erzeugt,
können wohl nur eingefleischte Spektroskopiker nachvollziehen.

Bild 4: Die mühselige Arbeit, den Zielstern am Display auf dem Spektrographenspalt
zu halten, bleibt, sorgt aber auch für das einmalige, astronomische "Gänsehautfeeling".
Der Stern links neben dem Teleskop ist Capella im Fuhrmann!

Die Datengewinnung am Teleskop ist allerdings nur die halbe Miete. Die Rohdaten müssen im Anschluss auch zu aussagekräftigen Informationen eingekocht werden. Dies geschah am darauffolgenden unerrichtsfreien Samstag und Sonntag (sic)!

Hier bestätigte sich, dass die neue Kalibrationslampe ganze Arbeit leistet. Die Abweichung der ausgewählten Emissionslinien vom berechneten Dispersionsmodell (einem kubischen Polynom) lag unter 0,02 Angström! Damit wurde die Identifikation von Linien im fertigen Sternenspektrum zum Kinderspiel. Die wichtigsten dieser Linien wurden mit Hilfe einer Tabelle in einem Paper von Jaqueline Mitton zugeordnet. So finden sich gemäß unserer Analyse in der Atmosphäre von VV Cephei unter anderem die Elemente Eisen, Kalzium, Natrium, Nickel, Magnesium und Titan.

Bild 5: Lisa und Pauline beim Kalibrieren des Spektrums mit Hilfe der freien Software BASS.

Bild 6: Spektrum von VV Cephei im Bereich von 5600 bis 6800 Angström.
Dieses Spektrum mit voller Auflösung kann hier betrachtet werden. 

Bild 7: Spektrum von VV Cephei im Bereich von 4700 bis 5900 Angström.
Dieses Spektrum mit voller Auflösung kann hier betrachtet werden.  

Ab Februar 2019 sollte es bei VV Cephei wieder spannend werden! Dann sollte der Begleitstern langsam wieder hinter dem Hauptstern hervorlugen und für Veränderungen im Spektrum sorgen. Vor allem auf das Wiedererscheinen der H-beta-Emissionslinie bei 4862 Angström sind wir sehr gespannt! Spätestens dann heißt es wieder, unserem alten Bekannten einen "spektroskopischen Besuch" abzustatten!


Christof Wiedemair

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