Das Licht von VV Cephei

Das aufwändigste Projekt des zurückliegenden Schuljahres 2017/18 war gleichzeitig auch ein Novum. Seit Mai 2017 investierte die Astrogruppe regelmäßig Beobachtungszeit und "manpower" in die "Spektroskopie von VV Cephei" und setzte dabei den schuleigenen Spektrographen DADOS erstmals für ein astronomisches Projekt ein. Die Lernkurve zeigte steil nach oben! Während das erste Spektrum noch wenig aufgelöst und unscharf war, gelang es uns mit den Monaten immer besser, dem Licht des ca. 5000 Lichtjahre entfernten Doppelsterns seine Geheimnisse zu entlocken.

Aber der Reihe nach!

VV Cephei ist ein ferner Doppelstern im Sternbild Kepheus. Das System erscheint für erdgebundene Beobachter ca. 5 mag hell und ist damit gerade eben mit freiem Auge sichtbar. In Wirklichkeit ist der Doppelstern jedoch ein Objekt der Superlative! Der kühle M-Stern des Systems ist mit ca. 1500-1900 Sonnendurchmessern [sic!] einer der größten bekannten Sterne. Sein heisser B-Stern-Begleiter bringt es immerhin auch auf etwa stolze zehn Sonnendurchmesser. Beide Sterne umkreisen sich im Rhythmus von 20 Jahren auf einer sehr engen Bahn und bedecken sich dabei immer wieder gegenseitig. Eine solche Bedeckung stand im vergangenen Sommer/Herbst 2017 erneut an!

Bild 1: VV Cephei, aufgenommen von Dominik Moser am 01.06.18 mit T24 von itelescope.net.

Mit Hilfe der Spektroskopie kann man das Licht, welches uns von Himmelskörpern erreicht, in seine Farbbestandteile zerlegen. Man sieht in solch einem Spektrum vor allem die Lichtanteile des hellen roten Riesensterns, samt aller sternentypischen Absorptionslinien. Im sichtbaren Teil des Spektrums bleibt der blaue Stern weitgehend unauffällig - bis auf ein Detail! Um den blauen Stern befindet sich Wasserstoff, welchen er aus dem Sternenwind des Roten Riesen aufsammelt. Die dort vorherrschende starke UV-Strahlung ionisiert dieses Wasserstoffgas und regt es zum Leuchten an. Im Spektrum tauchen so, neben des Kontinuums und der omnipräsenten Absorptionslinien, zusätzlich zwei Emissionslinien auf: Die H-alpha-Emissionslinie im Roten bei einer Lichtwellenlänge von 656,3 Nanometern und die H-beta-Emissionslinie im Blauen bei 486,1 Nanometern. Diese zeigen außerdem ein typisches Doppelspitzenprofil, welches von einem starken Dopplereffekt rührt. Das aufgesammelte und leuchtende Gas muss sich offenbar mit fast bis zu 300 km/s bewegen, möglicherweise in einer sogenannten Akkretionsscheibe um den B-Stern herum!

Ein spannendes, komplexes Himmelsobjekt zeigt aktuell kurzfristige Veränderungen: Ein Fall für die Astrogruppe! So übernahm im Herbst Patrick Franzinelli die Leitung des Projektes und unter seiner Federführung wurde VV Cephei insgesamt in zwölf Nächten erfolgreich spektroskopiert. Von Mal zu Mal lief es besser! So konnten wir die Auflösung des Spektrographen von anfangs nur 200 Linien pro Millimeter auf 900 und dann auf 1200 Linien pro Millimeter steigern, verbesserten die Scharfstellmethode und die Wellenlängenkalibration und schafften es schließlich auch, die Nachführung des Sterns auf den Spektrographenspalt aus dem beheizten Beobachterraum fernzusteuern. Gerade letzteres war essenziell, sonst hätten wir das Projekt in den eisig kalten Wintermonaten unmöglich durchziehen können. Bei aller Liebe zur Astronomie, doch vier Stunden Aufenthalt im Freien bei -10°C mit konzentriertem Blick auf den seeingbedingt auf dem Spektrographenspalt tanzenden Sternenfleck ist selbst für eingefleischte Astrogruppenmitglieder zuviel des Guten.

Bild 2: Spektroskopienacht im Observatorium. Links der Spektrograph (weiß) mit Guidingcam (blau)
und CCD-Kamera (schwarz). Rechts das Teleskop mit Kalibrationslampe vor der Eintrittsöffnung und Patrick.

Bild 3: Beim Fokussieren mit Hilfe einer Bathniov-Maske vor der Teleskopöffnung. Der Stern wird im
Anschluss während des Spektroskopierens manuell auf einem der in diesem Bild beleuchteten Spalten gehalten.

Ein typisches Ergebnis einer solchen Beobachtungsnacht besteht zunächst aus zwei Spektralfäden, also Bildern des aufgefächerten Lichtes, jeder mit einer Gesamtbelichtungszeit von 50 Minuten. Diese zeigen bereits die dunklen Absorptionslinien auf dem hellen Grund des Kontinuums. Bei VV Cephei sind zusätzlich die beiden Emissionslinien H-alpha und H-beta im Spektralfaden sichtbar. Diese beiden Spektralfäden können nach aufwändiger Bearbeitung auch als Graph dargestellt werden. In diesen Diagrammen erkennt man zusätzlich noch die Wellenlängeninformation.

Bild 4: Untereinander gereihter und in der Helligkeit gestreckter Spektralfaden vom 15. Oktober 2017.
Die Emissionslinien des Wasserstoffs sind gekennzeichnet.

Bild 5: Das Spektrum des 15. Oktobers 2017 im roten Wellenlängenbereich in Form eines Graphen.
Die hohe, zweigeteilte Spitze stellt die H-apha-Emissionslinie dar.

Man erkennt sowohl bei H-alpha als auch bei H-beta eine Zweiteilung der Linie. Diese rührt vom Dopplereffekt aufgrund der hohen Geschwindigkeit des Gases. Durch Vermessung der Aufweitung konnte Patrick als ein erstes Zwischenergebnis die Geschwindigkeit des Gases abschätzen. Sie liegt bei ca. 300 km/s!

Ein weiteres Ziel der Auswertung war es, die Abnahme der Emissionslinienstärke bei fortschreitender Bedeckung durch den M-Stern nachzuweisen. Dies gelang nach einigen Startschwierigkeiten schließlich ebenso zu unserer vollsten Zufriedenheit. Der Vergleich der von uns gemessenen sogenannten "Äquivalenzbreiten" mit jenen von befreundeten Amateurastronomen zeigt eine hervorragende Übereinstimmung!

Bild 6: Die Entwicklung der Äquivalenzbreite der Wasserstofflinie im Laufe der letzten Monate. Eine Abnahme
(beachte die negative Zählweise) ist deutlich erkennbar und deckt sich mit den Messungen anderer!

Die H-beta-Linie verschwand sogar gänzlich, wie die Animation zeigt.

Bild 7: Verschwinden der H-Beta-Emissionslinie von VV Cephei im Herbst 2017.


Am 2. Juli 2018 hat Patrick das Projekt mit Erfolg bei seiner Abschlussprüfung vorgestellt. Ein Video, welches diesen Vortrag zeigt, findet sich in unserem Youtube-Kanal.


Es gäbe noch unendlich viel zu sagen, doch ein Blog ist hierfür nicht das richtige Medium! Wer nun aber neugierig geworden ist, der kann sich Patricks Facharbeit downloaden und durchstudieren.

Im Frühling des nächsten Jahres wird der B-Stern wieder hinter dem M-Stern hervortreten und die Emissionslinien sollten wieder stärker werden! Die Astrogruppe wird, dann in neuer, verjüngter Besetzung, wieder ein achtsames Auge auf den spannenden Superstern VV Cephei werfen!

Christof Wiedemair


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